Bulletin n. 2-3/2012
October 2012-February 2013
CONTENTS
  • Section A) The theory and practise of the federal states and multi-level systems of government
  • Section B) Global governance and international organizations
  • Section C) Regional integration processes
  • Section D) Federalism as a political idea
  • Borgolte Michael
    Mittelalter in der größeren Welt. Eine europäische Kultur in globaler Perspektive
    in Historische Zeitschrift , Volume 295, Issue 1, September 2012 ,  2012 ,  35-61
    Zusammenfassung Eine Weltgeschichte, die alles Gewesene umfasst, neben dem Dominanten auch dem je Marginalen gleiches Recht widerfahren lässt und das Ganze in eine universale Deutung von Epochen bringt, ist unmöglich. Wo heute Weltgeschichte betrieben und gelesen wird, erwartet man von ihr aber auch keine Sinnstiftung mehr; vielmehr wird die Vergangenheit auf die nüchterne Erkenntnis bezogen, dass sich in der Gegenwart die Kommunikation universell verdichtet und beschleunigt und Grenzen für die Mobilität von Menschen, Gütern und Ideen weitgehend gefallen sind. Die neue Globalgeschichte will nicht mehr Zivilisationen vergleichen, sondern ihre Interaktionen erfassen; sie ist methodisch weniger anspruchsvoll als die herkömmliche Universalgeschichte, dafür aber auch im Unterschied zu dieser wirklich erforschbar. Das gilt auch für das Mittelalter, das zwar eine kleinere Ökumene umgreift als die heutige Welt, aber in seinem europäisch-nordafrikanisch-asiatischen Raum zahllose Schauplätze transkultureller Verflechtungen bietet. Wie der Mittelalterband der WBG-Weltgeschichte belegt, rücken Europa und das Mittelmeer in globalhistorischer Perspektive an den Rand ihrer Ökumene. In einer Zeit vorwiegend ostwestlich gerichteter Austauschbeziehungen lag das Scharnier der Welt, wo die drei Kontinente aufeinanderstießen, am Schwarzen Meer und in der Levante. Mit ihrer Herrschaft über die Wasserwege zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean kam in der längsten Zeit des „Mittelalters“ muslimischen Herren die Schlüsselrolle zu. Eine weitere Konsequenz des neuen Ansatzes lag darin, dass die Nomaden in gleichen Rang zu den sogenannten Hochkulturen aufrückten und unter dem Aspekt der Vielfalt der Vorsprung des plurireligiösen Asiens gegenüber Europa evident wurde. Für eine transkulturelle Erforschung des mittelalterlichen Jahrtausends eignet sich neben den großen Reichsbildungen und dem Fernhandel besonders das unerschöpfliche Feld der Migrationen. Dabei muss die Verlockung von Identitätsbehauptungen gemieden werden, die bis in die Gegenwart etwa die traditionelle Völkerwanderungsforschung in die Irre führt; statt Kulturen zu essentialisieren, kommt es darauf an, den Austausch menschlicher Lebenspraktiken und -deutungen als unaufhörlichen kulturellen Prozess zu verstehen. Auch die Reiseforschung hat sich zu lange der Wahrnehmung und Evokation des Fremden als Faszinosum hingegeben und muss die Dimension der „cross-cultural interaction“ eigentlich noch entdecken. Zu den vielen neuen Aufgaben für kreative Köpfe gehört eine Geschichte der Diplomatie in kulturwissenschaftlicher Absicht.
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